QUO VADIS MIGY?



Stellungnahme der Freien Wähler Geislingen e.V. zur Sachlage des Michelberg-Gymnasiums Geislingen

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dehmer, sehr geehrte Eltern, sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Schulleitung und der Schulbehörden, liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats, sehr geehrte Damen und Herren und nicht zuletzt liebe Schüler und Zuhörer zuhause an den Bildschirmen,

wir beschäftigen uns heute mit einem schwierigen Thema, ich möchte behaupten mit dem schwierigsten und emotionalsten Thema für die meisten Gemeinderäte in ihrer gesamten Laufbahn. Es steht hier Pädagogik gegen Finanzen, Bildung versus Geldnot. Allerdings wird schon Charlie Chaplin zitiert: An den Scheidewegen des Lebens stehen keine Wegweiser.

Zunächst einmal vielen Dank und ein riesengroßes Lob an die sachkundigen Eltern, die sich die Mühe gemacht haben, günstige Sanierungsmöglichkeiten aufzuspüren. Das ist nicht selbstverständlich und zeigt, wie wichtig den Eltern der Erhalt des Migys ist. Jedem gesunden Menschenverstand sind die vorgetragenen Thesen sofort zugänglich und einleuchtend. Sie zeigen Handlungsmöglichkeiten für die Partner, die sich später eventuell einmal mit der konkreten Umsetzung einer Sanierung beschäftigen. Konkrete, zeitnahe Handlungsmöglichkeiten eröffnen sie leider nicht, aber dazu später mehr.

Ich selber habe einen sehr fundierten Bezug zu dieser Schule, gehörte mit zu den Erstbeziehern und mehrere meiner Familienmitglieder haben diese Schule ebenfalls besucht und geschätzt.

Wir haben für diese Sitzung heute keine fertige, nachhaltige und tragfähige Lösung erwartet. Dazu haben wir schon zu viel Unterschiedliches gehört, die Probleme sind einfach zu komplex, und zwar sowohl aus technischer und struktureller als auch aus finanzieller Sicht. Die Spreizung der angenommen Kosten einer Sanierung zwischen 15 und 27 Millionen € bleibt für uns im Raum stehen und ungeklärt. Welche Annahmen die richtigen sind, können wir als Nicht-Baufachleute kaum einschätzen.

Unser Gefühl sagt uns, dass der Wert von BiRegio etwas zu hoch angesetzt ist. Dies geschah aber nicht – wie oftmals unterstellt – um dem Migy den Garaus zu machen, sondern um einfach auf der sicheren Seite zu sein. Wir erinnern an die Kostensteigerungen der misslungenen ersten Sanierung, die bei ca. 7 Mio. als Schätzung begann, dann mit 14 Mio. als Planung festgezurrt wurde und dann bei 22 Mio. endete.

Für das Migy geht es hier um die Existenz. Deshalb ist es verständlich und lobenswert, dass gekämpft wird bis zur letzten kleinen Chance. Was uns allerdings sehr nachdenklich stimmt, sind die fast einhelligen Aussagen der Umlandgemeinden, sich nicht konkret auf eine finanzielle Beteiligung einer Sanierung einzulassen. Die Antworten auf die Abfrage unserer Kommune zu diesem Thema zeigen uns, dass die Umlandgemeinden den Ernst der Lage noch nicht erkannt haben. Dabei geht hier vornehmlich um ihre Schüler und Eltern.

Wir stellen nun fest: Der Prozess um die Zukunft des Migy steckt fest, seit langem und sehr tief, und zwar im Morast der ungeklärten Fragen. Ich persönlich habe an allen Veranstaltungen bzgl. des Migy teilgenommen und versucht, mir ein klares Bild vom Zustand der Schule und den Sanierungsmöglichkeiten zu machen. Es ist mir leider nicht gelungen, wir sind genauso schlau wie vor einem Jahr.

Wir sehen drei Spieler in diesem Zusammenhang: Das ist zum einen unsere Stadt Geislingen als Schulträger und Hauptfinanzierer, das sind die Umlandgemeinden und das ist das RP Stuttgart, das sich ausschließlich sehr schwammig und unverbindlich äußert. In diesem Dreiklang wird der schwarze Peter auf fast unverantwortliche Weise immer wieder weitergereicht und das Problem auf die lange Bank geschoben. Zum Verständnis für die Zusammenhänge sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass 60 % der Schüler beider Geislinger Gymnasien aus dem Umland kommen. Bei Migy stellt sich das Verhältnis gar noch extremer dar, dort kommen nur ca. 1/3 der Schüler aus Geislingen selbst.

Um diesem PingPong-Spiel der Argumente ein Ende zu setzen, braucht es jetzt einen neuen Impuls, um den festgefahrenen Karren wieder in Bewegung zu bringen.

Aus unserer Sicht gibt es triftige Gründe für den Erhalt des Michelberggymnasiums:

1. Das Wort Nachhaltigkeit ist in aller Munde und aus Umweltsicht wäre es ein Frevel, ein komplett neu saniertes Gebäude aufzugeben.
2. Aus Sicht der Wertschöpfung schmerzt einen der Gedanke, ein augenscheinlich funktionierendes Bauwerk als nicht nutzbar auszumustern und abzuschreiben.
3. Es ist aus finanzieller Sicht nicht vorstellbar, dass der Saldo des Gebäudewertes aus der letzten Sanierung schon nach wenigen Jahren gegen Null strebt, was einem wirtschaftlichem Totalschaden gleichkommt. Es handelt dabei wohlgemerkt nicht um einen technischen Totalschaden.
4. Das vielfach gepriesene pädagogische Konzept ist auf jeden Fall etwas Besonderes und darf nicht leichtsinnig und unbegründet aufs Spiel gesetzt werden.
5. Bei Aufgabe des Migy müsste die gesamte Schullandschaft Geislingens umgekrempelt werden. Das wäre eine große Herausforderung für alle Beteiligten.
6. Geislingen will als Mittelzentrum seinen Aufgaben gerecht werden und den Umlandgemeinden eine vielfältige Schullandschaft bieten. Das ist ein zentraler und nachhaltiger Aspekt der Vernetzung zum Umland.

Entgegen diesen vermeintlich unanfechtbaren Argumenten steckt beim Migy der Teufel im Detail. Was sich augenscheinlich als modernes und makelloses Bauwerk darstellt, hat seine Macken hinter der Fassade. Diese selbst, die Statik, die Haustechnik und der Brandschutz sind ein einem so desolaten Zustand, dass für scharfe Rechner die Heilung der Schäden den Kosten eines Neubaus gleichkommt. Nehmen wir ein gesundes Mittelmaß aller groben Kostenschätzungen, so landen wir doch auf jeden Fall wieder über 20 Mio. €. Diese Summe schreckt verständlicherweise zunächst alle Beteiligten ab.

Der Prozess muss aber trotzdem weitergehen. Doch welche Handlungsoptionen haben wir überhaupt?
Zunächst wollen wir einmal festhalten, welche Optionen wir nicht haben:

• Wir können nicht auf das Ergebnis der Schadensersatzansprüche gegenüber den Planern und ausführenden Firmen hoffen und warten. Diese Prozesse werden sich schätzungsweise über sechs bis zehn Jahre hinziehen. Das ist unter Umständen mehr als ein ganzes Schülerleben am Migy.
• Wir können nicht einfach mal anfangen, irgendetwas zu sanieren ohne die finanzielle Zusage aller Beteiligten.
• Wir können nicht beginnen, Einzelgewerke instandzusetzen, ohne detaillierte Kenntnisse aller sich gegenseitig beeinflussenden, baulichen Sachverhalte.
• Wir können nicht aufgrund der Thesen der fachkundigen Eltern irgendeine Bautätigkeit beginnen. Die Eltern haben selber mehrfach betont, dass die Kostenschätzungen keineswegs die Qualität einer konkreten Planung haben. Abgesehen davon ist es sicher nicht zielführend über die Kostenhaftung solcher Aktivitäten nachzudenken.

Was brauchen wir also?

Aus unserer Sicht muss man alle Sanierungsgedanken zurück auf null zurück stellen und eine konkrete Planung beauftragen. Ohne diese werden wir keine neuen Erkenntnisse erlangen, die eine Entscheidung möglich machen. Die Kosten einer solchen Planung belaufen sich auf ca. eine dreiviertel Million €, wenn man die zur genauer Kostenbestimmung notwendige Leistungsstufe 3 zugrunde legt. Diese Zahl scheint hoch, ist aber aus unserer Sicht valide, das mehrere unabhängige Quellen diese Größenordnung genannt haben.

Hier sieht man dann auch den Unterschied der ehrenamtlich erarbeiteten Thesen der fachkundigen Eltern zu einer konkreten Planung. Noch kritischer als der Kostenfaktor wiegt die Zeitschiene für solche eine Planung. Mit geschätzten eineinhalb Jahren kommt man hier schnell in das Zeitfenster, bei dem der geduldete Brandschutz endet. Es heißt also: jetzt handeln.

Die Stadt Geislingen steht finanziell mit dem Rücken zur Wand. Einer schmerzlichen Konsolidierung im letzten Jahr, der zum Beispiel unser Freibad zum Opfer fiel, folgt nun das Corona-Jahr mit all seinen negativen finanziellen Effekten. Fakt ist, dass die Stadt Geislingen alleine keine Möglichkeit hat, die eine Sanierung in dem oben genannten Kostenrahmen umzusetzen. Deshalb kann der Neuanfang nur darin bestehen, die Schulträgerschaft für das Migy aufzugeben, um alle Beteiligten neu mit ins Boot zu holen.

Dieser Schritt scheint drastisch, aber es ist ein Hilferuf, ja gar ein Hilfeschrei, der Not und Verzweiflung geschuldet. Selbstverständlich wird die Stadt Geislingen weiterhin großes Interesse am Erhalt des Michelberggymnasiums haben und ist für alle denkbaren neuen Kooperationen bereit.
Wie kann es dann weitergehen? Das gilt es nun zu sondieren. Zum Beispiel scheint ein Schulverband eine Möglichkeit zu sein. Daran sollten sich alle Betroffenen entsprechend beteiligen und die finanzielle Basis für einen Neuanfang bilden. Unter Umständen könnte man auch den Landkreis mit ins Boot holen, dies gilt es noch zu erfragen.

Die Planung einer erneuten Sanierung des Migy kann man dann stufenweise umsetzen, um keine unnötig hohen Kosten zu verursachen. Nach Leistungsstufe 1 und 2, die ungefähr die Hälfte der Planungskosten ausmachen, kann man schon eine Tendenz für die Kosten der Sanierung erkennen. Damit ermöglicht man dann in absehbarer Zeit den Umlandgemeinden und dem Regierungspräsidium die Nennung konkreter und verbindlicher Zahlen. Dies war ja in allen Aussagen der Knackpunkt und der geforderte Wunsch. Diesen Wunsch könnten wir dann erfüllen.

Der in vielen Köpfen herumschwirrenden und befürchteten kompletten Aufgabe des Michelberggymnasiums könnte man im Grunde auch nur dann zustimmen, wenn eine konkrete Planung die Aussichtlosigkeit einer Sanierung zum Ergebnis hätte. In diesem Fall müsste man dann auf eine der vielen Varianten von BiRegio zurückgreifen, wobei uns da eine mit möglichst wenig Veränderung der gesamten Schullandschaft am sinnvollsten erscheint. Das ist zum Beispiel die in der Vorlage zitierte Variante 7.

Unser Fazit: Wir Gemeinderäte der Stadt Geislingen können uns aufgrund der aktuell vorliegenden Informationen weder für noch gegen das Michelberggymnasium entscheiden, sondern sind bei der Zukunft des Migy auf die Mithilfe der Partner angewiesen.

Wir fordern deshalb die Umlandgemeinden und das Regierungspräsidium auf, den vorgeschlagenen Weg mit uns zu gehen und aktiv mitzugestalten. Es besteht die Möglichkeit einer Rettung des Migy und dies sollten wir gemeinsam anstreben. Falls dies mehrheitlich nicht gewünscht wird, bitten wir konkret um eine Aussage dazu. Das machen die Umlandgemeinden im Übrigen nicht für die Stadt Geislingen, sondern für ihre Schüler und Eltern.
Wir als Fraktion befürworten also die heutige Vorlage zu diesem Thema.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und hoffen weiterhin wir auf das Beste für unser Migy.

Dr. Stephan Schweizer
Fraktionsvorsitzender
Freie Wähler Geislingen e.V.

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