Immer weniger Wähler und ganz schreckliche Visionen

Kandidaten sind sich einig: Möglichst viele Bürger sollten zur Wahl gehen - "Es ist kein typisches Geislinger Problem"

Anhang anzeigen 2087 Warum gehen immer weniger Bürger zur Wahl? Wie sehen sich die Parteien und Wählerinitiativen selbst? Wie sehen die Visionen aus? Einige Antworten aus der GZ-Podiumsdiskussion.

Bei der GZ-Podiumsdiskussion zur Kommunalwahl gings am Dienstagabend nicht nur um die Ziele und Wünsche der Kandidaten. Breiten Raum nahm die Frage nach der Wahlmüdigkeit ein. Hier einige Antworten:
Holger Scheible (CDU): "Es ist kein typisches Geislinger Problem. Möglicherweise sind es die Auswirkungen der gesättigten Gesellschaft. Als es vor 30, 40 Jahren noch um existenzielle Nöte ging, sind die Leute zur Wahlurne marschiert." Auch neue Instrumente, wie etwa die Bürgerbeteiligung am Haushalt, wie sie anderswo praktiziert werde, hätten zu keiner Verbesserung geführt. Es sei absolut unverständlich, wenn der Bürger keinen Einfluss auf die Politik vor seiner Haustür nehmen wolle.

Dr. Hansjürgen Gölz (SPD): "Es gelingt uns nicht, das Interesse für die Stadt darzustellen." Er habe selbst festgestellt, dass beispielsweise in der "Siedlung" vielfach keine Tageszeitung gelesen werde. "Die Leute wissen nicht, was in der Stadt läuft."
Thomas Kellner (FWV): "Viele politische Vorgänge sind viel zu komplex." Es sei dem Bürger schwer zu vermitteln, dass der Gemeinderat zwar Beschlüsse fassen könne, sie aber aufgrund der Vorgaben des Kreistags oder des Regionalparlaments nicht zu realisieren seien. Er selbst räumt ein, auch mit der Berechnung des Finanzausgleichs Schwierigkeiten zu haben.
Bernhard Lehle (GAL): "Wir haben eine wahnsinnige Reizüberflutung." Das Internet mit seiner Fülle an Informationen führe zu einer "gewissen Abstumpfung." Der Bürger könne nur durch mehr Demokratie wieder für politische Sachverhalte interessiert werden. Weil die Themen komplexer und schwieriger würden, hätten sich die Menschen abgewandt.
Holger Schrag (Junges Geislingen/Die Linke): "Wir müssen möglichst viele Menschen für die Wahl begeistern. Wen sie wählen, ist mir wurst. Wenn 80 bis 85 Prozent zum Wählen gehen und wir keinen Sitz kriegen, gönne ich das den Gewählten auch."
GZ-Redaktionsleiter Roderich Schmauz hakte als Moderator nach, wie sich die Parteien von den Freien Wählern unterscheiden, wenn doch alle "unabhängig und ausschließlich an der Sache orientiert" sein wollten.
Holger Scheible (CDU) machte deutlich, dass es insbesondere bei Kommunalwahlen um die Persönlichkeit der Kandidaten gehe, die sich allesamt für die Gemeinschaft einsetzten und am Gemeinwohl orientierten. Die CDU-Kandidaten stützten sich jedoch auf "gewisse Grundüberzeugungen". Außerdem werde in der Fraktion durchaus kontrovers diskutiert - auch wenn er dann im Gremium als Sprecher die Position darstelle.
Thomas Kellner formuliert es für die Freien Wähler so: "Wir sind keine Werte losen Gesellen, aber eben nicht an ein Parteiprogramm gebunden."
Per Losentscheid wurden die Podiumsteilnehmer um positive oder negative Visionen für Geislingen im Jahr 2020 gebeten. Scheible zeichnete das Bild einer pulsierenden Region, in der dank einer florierenden Wirtschaft neue Arbeitsplätze entstanden sind. Für den B 10-Tunnel durch die Schildwacht laufe die Ausschreibung - und die Sanierung der Innenstadt sei weitergegangen.
Gölz sah die SPD mit elf Sitzen im Gemeinderat vertreten; die Kluft zwischen Arm und Reich sei überwunden, Sprachförderung und Integration erfolgreich - und die B 10 um Geislingen herum fertig gebaut.
Schrag hatte für 2020 die Vision, dass alle demokratischen Kräfte den Einzug der NPD in den Gemeinderat verhindert haben.
Thomas Kellner, der laut Los ein negatives Szenario für 2020 schildern musste, formulierte es so: Die Gesellschaft spaltet sich immer mehr, Gewalttaten nehmen zu, die Verhältnisse werden brutaler. Zivilisatorische Errungenschaften gehen verloren und "die überwunden geglaubten können Platz ergreifen".
Bernhard Lehle, ebenfalls zu einer Negativ-Vision aufgefordert, zeichnete das Szenario eines Gemeinderats ohne die Grünen, von einer Stadt, die kein Geld mehr für Bildung aufbringe, die ohnehin privatisiert sei. Außerdem habe sich der Klimawandel dramatisch bemerkbar gemacht.
Ein Glück, dass es jetzt "nur" um die Wahlen 2009 ging . . .
Über den Autor
Holger Schrag
Holger Schrag ist selbständiger IT-Dienstleister (Fachinformatiker, Jugendmediencoach) und seit der Kommunalwahl 2009 Mitglied des Geislinger Gemeinderats.
2010 gründete Schrag das Stadtwiki Geislingen an der Steige.

Seit März 2016 Vorsitzender des Stadtjugendring Geislingen e.V.

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Holger Schrag
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