Der Weg zu den Herzjongleuren

Zunächst ein Rückblick auf einen Blogeintrag ganz vom Ende des Jahres 2017 über Nummernerstellung:



„Also, neuer, aktueller Versuch: Stand jetzt ist die geplante Bühnennummer zweigeteilt: Im A-Teil jongliere ich in vier Unterteilen streng getrennt ästhetisch dargebotene Tricks mit Bällen, Keulen, Ringen und Hüten, ehe ein „Missgeschick“ beim Aufräumen dazu führt, dass ich ausraste und in meinem Wahnsinn und dem entstandenen Durcheinander die Jonglage mit den verschiedenen Props (Jonglierrequisiten) gleichzeitig entdecke. Dies ist dann der B-Teil. Musik habe ich mittlerweile für die beiden Teile, zwei Stücke vom gleichen Act. Zusammen geht das Ganze auch stattliche zehn Minuten, was an der Grenze zum Passenden liegt. An dieser Nummer, ihrer Choreographie, den Bewegungen und dem Charakter mit seinen zwei Seiten arbeite ich also gerade. Da wird sich sicher auch noch viel verändern. Die Eigenschaft, mich nicht auf eine Art Props festlegen zu wollen, versuche ich hier zu nutzen und in einen Vorteil umzumünzen, da die Jonglage mit verschiedenen Gegenständen unter Profis wenig verbreitet ist, jedoch ganz viele interessante, neu wirkende Möglichkeiten bietet. So wird die Aufgabe für 2018, diesmal auch mit Hilfe von erfahrenen Künstlern und Regisseuren, diese Nummer zu entwickeln und hin zur Bühnenreife auf nach und nach größeren Bühnen zu bringen – mit viel Geduld, Disziplin, Hingabe und liebevoller Detailarbeit. Der vorläufige Name der Nummer lautet übrigens 'Dr. Juggle & Mr. Play'.“

(Blogeintrag „Nummernerstellung“ vom 27.12.2017)


Es ist spannend, Stand jetzt (Anfang April 2018) auf meinen kreativen Prozess der letzten Monate zurückzublicken.

Denn nur wenige Tage nach Veröffentlichtung des oben zitierten Artikels war ich Teilnehmer eines Workshops, bei dem ich auch an meiner Nummer arbeitete. Diese änderte sich dort von 'Dr. Juggle & Mr. Play' zu 'Juggling 4 One'. Wobei 'Juggling 4 One' eigentlich nur aus dem A-Teil, 'Dr. Juggle', entstand, und so lang war, dass ich zu 'Mr. Play' gar nicht erst kam beziehungsweise beides von der Länge her dann schon getrennte Nummern sind.

Zunächst zu 'Juggling 4 One': Durch den Leiter und die TeilnehmerInnen des Workshops Anfang Januar inspiriert, entstand die Idee, dass „wir“ in der Nummer als Jonglierquartett angekündigt werden und zuerst der Balljongleur erscheint und seinen Part macht. Soweit, so gut. Dann soll eigentlich der Keulenjongleur kommen, der jedoch krank ist. Somit muss der Balljongleur einspringen und versuchen, den Keulentyp in dessen Weise zu imitieren – Ähnliches dann mit dem Ringjongleur und dem Hutmanipulator. So sollten die drei anderen Jongleure vom Balljongleur (unfreiwillig) parodiert werden.

Zwar gefiel mir die Originalität der Geschichte, doch natürlich wird zum Einen schnell offensichtlich, worauf es hinausläuft und ist es zum Anderen eine darstellerisch anspruchsvolle Aufgabe. So habe ich diese Idee zugunsten einer besseren aufgegeben und glaube, es wäre in puncto schauspielerischer Darstellung und dem wichtigen Erzeugen von Emotionen beim Publikum, seien es Lacher oder jegliche Gefühle, schwierig geworden mit diesem Thema.

Die bessere Idee kam tatsächlich über Nacht, in der Entstehung nicht zu vergleichen mit irgendeiner anderen bisherigen Nummernidee von mir.

Die Nacht vom 1. zum 2. Februar 2018 werde ich so schnell nicht vergessen: Woher auch immer, kam da weit nach Mitternacht die Idee zur Show 'Herzjongleur': Die vier Charaktere von Jongleuren mit jeweils eigenen Requisiten sollten nun nicht mehr Teil eines Jonglierquartetts sein, sondern Bewerber um das Herz einer Frau im Rahmen der an die Kultsendung 'Herzblatt' angelehnten fiktiven TV-Show 'Herzjongleur'. Die Grundzüge dieser Show, ihre Struktur, fantasierte ich noch bis locker vier Uhr morgens schlaflos im Bett: Die vier extremen, starken Charaktere mit ihren komischen und exzentrischen Merkmalen als Parodien von Klischees, den Moderator sowie die „Freiwillige“ aus dem Publikum, die auf die Bühne geholt wird und am Ende ihren Herzjongleur aussuchen muss.

Zufällig kam ausgerechnet nach dieser Geistesblitz-Nacht ein befreundeter Pantomime bei mir vorbei. Ihm wollte ich eigentlich die 'Juggling 4 One'-Idee vorstellen. Das tat ich zunächst auch, jedoch zum letzten Mal. Denn als ich dann noch erstmals die Herzjongleur-Show improvisierte, bestätigte er mir, was ich schon dachte: Das hat mehr Potenzial! Denn es verbindet eine vor allem den nicht mehr ganz Jungen, wie etwa der Generation meiner Eltern, noch gut bekannte Sendung 'Herzblatt' mit vier speziellen Jongleurcharakteren. So kann ich meine geliebte Vielfalt an Jonglierstilen und -requisiten in den Rollen der Jongleure ausleben, beziehe durch die Auserwählte aus dem Publikum ebenjenes mit ein und verbinde die auf Außenstehende oft abstrakt wirkende Jonglage mit Komik und (teils kitschigen) Gefühlen, was die Zuschauer berührt und zum Lachen bringt. Am Schluss wird es mit dem Aufeinandertreffen von Herzdame und Herzjongleur noch pseudo-romantisch, womit ein klarer Höhepunkt gesetzt ist.

In den vier Rollen, der coole Keulen-Rapper, der ästhetische Ring-Franzose, der sächsische Kauz mit den Hüten und der verspielte Balljongleur, kann ich verschiedenste Facetten des Jonglierens innerhalb von gut zehn Minuten kurzweilig ausleben.

In der Rolle des Moderators mit schwarz-lockiger Perücke, am Anfang und Ende der Nummer zu sehen, lebe ich eine relativ neue Leidenschaft aus: die Benutzung von Sprache auf der Bühne, wo ich angepasst an die jeweilige Situation gerne etwas freier agiere und den festen Text erweitere sowie aufs Publikum reagiere und es einbeziehe. Die Show bleibt dadurch hoffentlich immer ein Stück weit frisch. Und es macht viel Spaß, einerseits fürs Publikum, andererseits für das „Exklusiv-Publikum“, die Frau auf der Bühne, zu spielen.

Spannend ist es jedes Mal aufs Neue mit immer einer anderen „Freiwilligen“, mal vorher abgesprochen, mal willkürlich ausgewählt. Jedoch entscheidet sie immer frei und spontan, welcher ihr Herzjongleur ist. So kann ich mich in meiner eigenen Show überraschen lassen ;)

Die Show, denn eine Nummer ist es ja nicht wirklich, ist noch in Entwicklung und ich werde erneut mit einem erfahrenen Varieté-Regisseur daran arbeiten. So sollen die Charaktere optisch und im Verhalten noch klarer werden und sich mehr voneinander unterscheiden. Auch sind manche Tricks noch nicht so sicher. Oft ersetze ich sie auf der Bühne dann spontan durch einfachere Varianten.

Auch mit dem Paravent, einem rollbaren Vorhang, eigentlich eine Garderobenstange, habe ich bei den bisherigen sechs Aufführungen schon herumexperimentiert: Zunächst durfte die Auserwählte gar nichts von den Jongleuren sehen, dann nur einen Teil, mittlerweile alles. Hinter dem Paravent wechsel ich durchs Umziehen die Rollen, während vom Band die Vorstellung des nächsten Kandidaten erklingt.

Insgesamt dauert der ganze Spuk in der Regel fast eine Viertelstunde.

Hier lade ich ein paar Bilder davon hoch sowie Links zu Videoausschnitten der Auftritte.

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Professionelle Fotos und Texte sowie ein Trailer zur Vermarktung werden im Laufe des Frühjahrs folgen.

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Chris Blessing
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